Переводчик Балышева Наталья Сергеевна

Auf dem Canal grande betten
Tief sich ein die Abendschatten,
Hundert dunkle Gondeln gleiten
Als ein flüsterndes Geheimnis.

Aber zwischen zwei Palästen
Glüht herein die Abendsonne,
Flammend wirft sie einen grellen
Breiten Streifen auf die Gondeln.

In dem purpurroten Lichte
Laute Stimmen, hell Gelächter,
Überredende Gebärden
Und das frevle Spiel der Augen.

Eine kleine, kurze Strecke
Treibt das Leben leidenschaftlich
Und erlischt im Schatten drüben
Als ein unverständlich Murmeln.

Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898)

Klaus Thölken
Das Licht der Welt
Draußen war es vollkommen dunkel. Keine Laterne brannte, hinter keinem der Fenster in der Straße war ein Licht zu sehen.
Auch die Schlafzimmerlampe brannte nicht. Die Hebamme, eine korpulent wirkende, ältere Dame, der man – wenn es hell war – ansah, daß sie zuzupacken verstand, fluchte: „Verflixt und zugenäht!“ Sie versuchte, in der Dunkelheit die Streichholzschachtel zu ertasten, die irgendwo neben der Schale mit dem warmen Wasser liegen mußte.
Das laute Atmen der Mutter erfüllte die Dunkelheit, kurze Zeit übertönt von der fluchenden Hebamme, die „Wo ist das verdammte Ding!?“ murmelte, und: „Erst der Strom und nun das!“
– Warum schreit mein Kind nicht? – fragte die junge Mutter angstvoll in die Dunkelheit hinein. – Keine Angst, – sagte die Hebamme beruhigend, – das machen wir gleich.
Doch sie konnte die Streichholzschachtel nicht finden. Die Kerze, die heftig flackernd und dann verlöschend das Ende der Geburt begleitet hatte, blieb dunkel. Die Hebamme gab die Suche auf. Sie tastete nach dem kleinen Körper. Sie fand ihn sofort.
– Große Füße hat es, – meinte die Hebamme aufmunternd. Höchste Zeit war es nun für den obligatorischen Klaps. Dazu hob sie das Baby mit dem Kopf nach unten in die Höhe. Die rechte Hand der Hebamme umschloß die Fußgelenke des Neugeborenen fest und doch zugleich vorsichtig. Wohl dosiert schlug sie zu.
Gespannt lauschend hielt die Mutter die Luft an. Doch es blieb still. Nun von fern hörte man ganz leise die explodierenden Bomben, die wieder vielen Menschen das Leben kosten würden.
Die Hebamme gab dem Baby noch einen Klaps.
– Schrei! Bitte schrei! – rief die Mutter.
Quälend dehnten sich die Sekunden zu Minuten. Zunächst klang es wie das Krächzen eines Raben. Dann schrie es plötzlich los, das Baby. Und weil es zum Schreien Luft brauchte, fing es an zu atmen.
– So, – sagte die Hebamme aufatmend, – das Wichtigste hätten wir geschafft!
Ihre Stimme klang sicher und fest. Mit zitternden Händen legte sie das Baby wieder auf das Bett.
Sie tastete nach der Hand der Mutter, die sie fest umfaßte.
– Wir haben es geschafft! – wiederholte die Hebamme, fast beschwörend.
Die Anspannung wich von ihr. Nun konnte sie in Ruhe die Streichhölzer suchen. Gut, daß die junge Mutter nicht sehen konnte, wie ihr zwei Tränen die Wangen hinunterliefen.
Die Sirenen gaben Entwarnung.